Wirkmächte des Seelischen in Kunst, Psychotherapie und Alltag
Unter diesem sperrigen und gehaltvollen Titel lud das Atelier für Kulturmorphologie am 21./22. September 2019 zu seiner diesjährigen Tagung ein. Neben den mehrfach jährlich stattfindenden internen Arbeitstreffen der Mitglieder sind es diese Tagungen, mit denen das Atelier an die Öffentlichkeit tritt, um die Implikationen der psychologischen Morphologie Wilhelm Salbers für die unterschiedlichsten kulturellen Bereiche vorzustellen und in einem breiteren Austausch zu diskutieren. In den vier als Werkstätten bezeichneten Arbeitsschwerpunkten der Tagung, die im Folgenden noch detaillierter dargestellt werden sollen, standen neben therapeutischen auch künstlerische und alltägliche Gegenstände im Mittelpunkt der Betrachtung.
Auch in diesem Jahr ermöglichte die begrenzte Teilnehmerzahl ein sehr intensives und dichtes Arbeiten an den jeweiligen Phänomenen. So bestand die Möglichkeit für die Teilnehmerinnen, ihre diversen Arbeits- und Interessensgebiete in den gemeinsamen Diskurs mit einzubringen. In den Gesprächen zeigte sich dabei immer wieder, dass im Bewegen und Bewegt-Werden, nicht aber im Fest-Stellen und Fest-Halten eine adäquate Annäherung an die jeweiligen betrachteten Gegenstände gefunden werden kann.
Werkstatt 1: Praktische Einübung in das Tagungsthema (Dr. Frank G. Grootaers, Dr. Jochen Wagner)
Die Teilnehmerinnen wurden gebeten, sich mit Papier und Bleistift auszurüsten. Auf diese Weise sollte eine vorübergehende schriftliche Festlegung der Beschreibung gewährleistet sein.
Alle sollten dann mit eigenen Worten aus dem jeweils eigenen Arbeitsfeld notieren, welchen außergewöhnlichen Erfahrungen im jeweiligen Fall die größte Bedeutung zukommt:
„Worauf liegt der größte Wert? Welcher materiale Anhalt ist dabei unverzichtbar? Gibt es verbindliche Vereinbarungen, um die außergewöhnlichen Erfahrungen zu begünstigen? Bemühen Sie sich in den Beschreibungen um immanente Schilderungen, d.h. vermeiden Sie Begriffe aus anderen Wissensbereichen, um die Phänomene darzustellen.“
In einem Austausch über die Beschreibungen wurde ein erster Versuch gemacht, den Bezug zu den Gestaltfaktoren der morphologischen Psychologie in ihrer ‚klassischen‘ Form herzustellen
( Aneignung/Umbildung – Anordnung/Einwirkung – Ausbreitung/Ausrüstung).
Anhand eines verteilten Hand-outs wurde darauf hingewiesen, dass die Formulierung der Gestaltfaktoren zu variieren sei, je nach den unterschiedlichen Phänomenen.
Werkstatt 2:
Die Klangproduktion einer Einzelmusiktherapie als Seelendrama (Dr. Christof Kolb)
Diese Werkstatt widmete sich in vier Versionen dem seelischen Geschehen einer ersten gemeinsamen Klangproduktion zwischen der Klientin Frau A. und dem Musiktherapeuten. Der Versionengang entstammt dem Untersuchungsverfahren „Beschreibung und Rekonstruktion“ aus dem Methodeninventar der morphologischen Musiktherapie. Es dient der wissenschaftlichen Erfassung musikalischer Produktionen in musiktherapeutischen Zusammenhängen.
In einer ersten Version steht die Beschreibung des ersten gemeinsamen Spiels zwischen Frau A. und dem Musiktherapeuten im Mittelpunkt. In diesem spielen beide „drauflos“, ohne jedwede Regeln und Vorgaben.
Die Teilnehmerinnen der Werkstatt hörten das aufgezeichnete Klangstück an und versuchten danach das beim Hinhören unmittelbar Gehörte und Erlebte in wenigen Sätzen aufs Papier zu bringen.
Dieser erste Untersuchungsschritt bemüht sich die Ganzheit des musikalischen Geschehens aufzufassen.
In unserem Fallbeispiel erwies sich dieses Ganze als ein Ineinander einer „rastlosen Getriebenheit“ auf der einen („Zuviel“) und einem „lahmen Tropfen“ (Tautropfen vom gefrorenen Ast) auf der anderen Seite („Zuwenig“). Diese Formenbildung stand unter einem übermäßigen Zwang, dem sein Gegenteil, eine gewisse Art einer Erlahmung, immanent ist. Als wohltuende Nebenseite wurden hingegen die wenigen Ruhepunkte wahrgenommen, die bei kurzen Momenten eines stimmigen gemeinsamen Spiels entstanden oder bei Pausen, die einem Atemholen glichen.
Die zweite Version wendet sich der Frage zu, wie der Gesamteindruck einer „rastlosen Getriebenheit“ überhaupt zustande kommt. Sie fragt, wie die Produktion en détail vonstatten geht. Es sind die Gliedzüge und Einzelteile und deren Zusammenwirken untereinander, denen nunmehr die Aufmerksamkeit gilt. Thematisiert wird die Binnenregulierung der Einzelteile in ihrem Verhältnis zur Ganzheit (erste Version).
In unserem Fall zeigte sich eine Verzahnung dieser Teile. In einem „fugato“ wurden diese enggeführt, wirkten dabei allerdings irgendwie unpassend, nämlich zusammengepresst. Das Xylophon von Frau A. und das Klavier des Musiktherapeuten hefteten sich geradezu aneinander, ohne Platz dazwischen zu lassen. Am Ende, als sich das Instrumentalspiel im Diskant bewegte, war die zunehmende Einschränkung mit den Händen zu greifen. Ab und an verkehrte sich diese Engführung, indem der Gang des Spiels aus den Fugen geriet. Wie bei kleinen Explosionen „krachte“ es auseinander. Auch das konnte als ein unpassendes Zuviel und ein vergeblicher Versuch verstanden werden Harmonie zu erzwingen.
In der Transformation, der dritten Version unseres Untersuchungsgangs, wird die psychologische Einheit der Klangproduktion überschritten. Es findet ein Austausch mit außermusikalischen Inhalten statt, um eventuelle Einseitigkeiten im musikalischen Material zu ergänzen.
Tatsächlich fand sich jedoch im gelebten Alltag von Frau A. die im gemeinsamen Spiel vorgefundene Rastlosigkeit und Getriebenheit wieder. Immer wirkte ein „Zuviel“ mit, verbunden mit einer Kehrseite, bei der sie das Gefühl hatte, dass ihr etwas fehle, sie zu kurz käme, sich total erschöpfe und sie sich selbst zu wenig entfalten könne.
Es war das vorherrschende Lebensgefühl eines chronischen Eingeschränktseins.
Festmachen ließ sich dieses „Zuviel“ an der Unzahl von Freizeitaktivitäten und Ehren-ämtern, die sie selbst praktizierte oder wo sie organisatorisch mithalf, z.B. bei den Unternehmungen ihrer Kinder. Bei ihren Aufzählungen war zu spüren, wie hier ein perfekt getakteter Alltagsbetrieb komplett „aus den Fugen“ zu geraten drohte.
Als Sinnbild dafür diente ein Wasserrohrbruch im familiären Umfeld, von dem sie sich nicht erholte und der zu einem Zusammenbruch führte.
Offensichtlich saß die Lebensführung von Frau A. einer Verkehrung auf, die wir auch schon in der Spielproduktion vorfanden: Indem ein absoluter Zwang alles in seinen Bann zog, wurden Gegengewichte, in ihrem Fall Ruhepunkte, die zu einem stimmigeren Ausgleich und mehr Entfaltungsmöglichkeiten führen könnten, ausgeklammert.
In der vierten Version werden die Wirkungstendenzen des Falles und seine Lebensmethode (siehe Version 1 – 3) mit den sechs Gestaltfaktoren – den Wirkmächten des Seelischen – in Austausch gebracht. Dadurch wird der notwendige theoretische Bezugsrahmen hergestellt. Es findet eine Rekonstruktion statt, die die Lebens-verhältnisse von Frau A. in einer Gestalt fasst. Diese bestimmt das Leiden-Können und das Nicht Leiden-Können von Frau A. und kann als Richtschnur für die weiteren Prozesse in der Einzelmusiktherapie dienen.
In der Lebensmethode von Frau A. dominierten die Gestaltfaktoren von Anordnung und Ausrüstung. Es zeigte sich eine gedrängte Organisation (Anordnung), in die zu viel hineingepackt wurde auf Kosten der notwendigen Beweglichkeit seelischen Lebens. Es gab keine Schneisen zum Luft holen, sich Ausruhen oder Übergänge, bei denen seelisches Geschehen „auf andere Gedanken“ kommen konnte.
Ergänzend dazu wirkte ein erhöhter Formzwang (Ausrüstung), der Frau A. einschränkte und behinderte. Im sehnsüchtigen Ruf nach Freiheit und Ausbreitung zeigte sich das schmerzlich vermisste Pendant in ihrem Leben.
Ein Lösungsweg für die Lebensführung von Frau A. wird am Ende des Märchens vom Tischlein Deck Dich gezeigt. Manchmal bewirken kleine Dinge mehr als große: Die Ziege hat sich in einer Fuchshöhle versteckt. Sie konnte Fuchs und Bär erschrecken, aber einer Biene musste sie weichen.
Werkstatt 3: Spazierengehen: Ein unterschätztes Ereignis? (Dipl.-Musiktherapeut Chris Mömesheim)
In einem Impulsreferat wurde zunächst der Begriff des Spazierengehens als nicht-zweckgebundenes Umherstreifen (allein) in der Natur definiert und von verwandten Begriffen abgegrenzt. Zusätzlich wurden einige Grundzüge des Spaziergangs als Alltagsform dargestellt wie Anfang, Ausgestaltung einer Form in der räumlichen Umgebung und Ende; Hinweg – Umkehrpunkt – Rückweg; ‚Das Entgegenkommende‘ auf dem Spazierweg als Anregung, aber auch als Verunsicherung; Nachträglich verstehen, wo man hingeraten ist; Etwas von unterwegs mitbringen; „Ich komme als ein Anderer wieder zurück“; Bezüge dieser Gestaltungsform zum künstlerischen Gestalten.
An die Teilnehmerinnen wurde dann die schriftliche Beschreibung eines Spazierganges ausgegeben mit der Aufgabe, beim Lesen spontan hervorstechende Stellen zu markieren. Diese wurden anschließend in der Gesamtgruppe gesammelt, diskutiert und auf die Gestaltfaktoren bezogen. Dabei wurde deutlich, dass beim Spazierengehen, zumindest in dem vorliegenden Erfahrungsbericht, die Achse „Einwirkung – Anordnung“ eine wichtige Rolle spielte. Dies wurde als Hinweis darauf verstanden, dass hier möglicherweise der Aspekt des Gestaltens bzw. von der passiven Seite gesehen des „Gestaltet-Werdens“ besonders wichtig ist und die Alltagsform des Spazierengehens dadurch ein eigenes (oft unterschätztes) Potenzial der Lebensgestaltung in sich trägt. Aus Erfahrungen des klinischen Alltags im psychiatrisch-psychotherapeutischen Arbeitsfeld heraus wurde im Sinne eines Ausblicks die Vermutung herausgestellt, dass eine bewusst kultivierte Form des Spazierengehens (ohne Alltagsgespräche nebenher, ohne Handy, dafür mit Offenheit für die sich zeigenden Phänomene) möglicherweise auch bei der Behandlung und Bewältigung von Lebenskrisen hilfreiche Wirksamkeit entfalten kann.
Werkstatt 4 (geänderter Titel): Analyse einer erzählten Alltagsepisode (Dr. Frank G. Grootaers)
Eine vom Tonband transkribierte Erzählung einer Patientin im Gruppentherapiekontext wurde als Text den Teilnehmerinnen zur Lektüre in die Hand gegeben. Die Erzählung handelt vom scheinbaren Verlust eines Mantels mit den darin befindlichen Sachen (EC-Karte, Geld, Ausweise). Als „Happy-End“ beschreibt die Erzählung die Wiederentdeckung des Mantels unter einem Haufen anderer „Klamotten“.
Dann wurde darum gebeten, einige bedeutsam erscheinende Stellen im Text zu unterstreichen (wiederum persönliche Festlegung): „gibt es im Text emotionale Brennpunkte? Sind Dramatisierungen spürbar? Welchen Bezug sehen Sie zwischen diesen festgehaltenen bedeutsamen Stellen und den nun schon etwas bekannt gewordenen Gestaltfaktoren? Welche Bedeutung dieser Erzählung einer einzelnen Person sehen Sie für den Kontext dieser Gruppentherapiesitzung?“
Ein vorgefertigtes Kurzreferat über „Frühstücken als Anlaufgestalt“ wurde den Teilnehmerinnen als Heimlektüre mitgegeben. Im Text werden die Gestaltfaktoren explizit angegeben. Damit wird demonstriert, dass „die Wirkmächte des Seelischen“ als Schwungräder einer Alltagsform in all unseren Kultivierungsformen (Kunst, Therapie, Alltag) eine allgemeine, kategoriale Bedeutung haben.
Die Mitglieder des Ateliers für Kulturmorphologie bedanken sich auf diesem Weg ausdrücklich für das Interesse und die denkerische Bereitschaft der Teilnehmerinnen und möchten der Hoffnung Ausdruck verleihen, in der Zukunft an diese gemeinsame Arbeit anknüpfen zu können. Weiterer Dank geht an die Celenus Klinik Schömberg für den schönen räumlichen Rahmen der Veranstaltung sowie die freundliche und sehr gute Bewirtung.
Anders Interpretieren
Eindrücke von der Tagung des ‚Ateliers für Kulturmorphologie‘ in der Celenus Klinik in Schömberg/Schwarzwald
Das ‚Atelier für Kulturmorphologie‘ hatte sich für seine am 17./18. März 2018 veranstaltete Tagung einen Rahmen gesteckt, der über (musik-) therapeutische Themenfelder hinausging. Unter dem Titel ‚Anders Interpretieren, Kunst – Psychotherapie – Alltag‘ wurde interessierten Menschen die Möglichkeit geboten, die Anwendung der von Wilhelm Salber entwickelten Psychologischen Morphologie auf verschiedene Kulturphänomene zu erleben. In den vier zentralen Veranstaltungen stand die Methode der ‚Beschreibung‘ als einem prominenten Instrument morphologischen Arbeitens im Mittelpunkt. Hierbei wird das subjektive Erleben im Sinne eines phänomenologischen Vorgehens als Zugang zu dem jeweiligen Gegenstand genutzt. In den als ‚Werkstatt‘ überschriebenen Veranstaltungen wurde im praktischen Tun jedem Teilnehmer die Möglichkeit gegeben, dieses Verfahren zu erleben und an vier sehr unterschiedlichen Gegenständen zu erproben. Der Veranstaltungsort, die im nördlichen Schwarzwald gelegene Celenus Klinik Schömberg, stellte dabei ein sehr passendes Ambiente zur Verfügung, bei dem auch für das leibliche Wohl bestens gesorgt war. In der kleinen Arbeitsgruppe, deren Mitglieder aus dem ganzen süddeutschen Raum (und dem angrenzenden Frankreich) angereist waren, fanden sich mit Musiktherapeuten, Kunsttherapeuten und Psychologen ein Spektrum unterschiedlicher Berufsgruppen, das die Breite des anvisierten Themengebiets trefflich wiederspiegelte.
Werkstatt 1: Übergangserfahrungen im Alltag
In der ersten Werkstatt, die von dem in Riedstadt/Hessen tätigen Dipl. Musiktherapeuten Chris Mömesheim angeleitet wurde, entstanden im freien Schreiben aller Teilnehmer Alltagsbeschreibungen, die die jeweilige Anfahrt zu der Tagung zum Gegenstand hatten. Bereits das Schreiben setzte einen selbstreflexiven Prozess in Gang, in dem eigenes Handeln und Erleben quasi von Außen betrachtet wurden. Aus den so entstandenen Texten wurde einer ausgewählt und exemplarisch einer eingehenderen Betrachtung der Gruppe unterzogen, in der, ausgehend von augenfälligen Formulierungen, grundsätzliche Bewegungsrichtungen herausgearbeitet wurden, um sich den Stellenwechseln, den Übergängen des Alltagsgeschehens, anzunähern.
Werkstatt 2: Musikalische Ensemblestücke aus der Musiktherapie
Eine größere Nähe zum musiktherapeutischen Tagwerk suchte Dr. Christof Kolb (Dipl. Musik-therapeut FH, Schömberg) in der zweiten Werkstatt des ersten Tagungstages. Hier wurden die Aufnahmen zweier Gruppenimprovisationen aus der therapeutischen Arbeit des Anleiters, die mit wechselnden Besetzungen innerhalb einer Sitzung stattfanden, gemeinsam aus dem subjektiven Erleben des Einzelnen heraus beschrieben. Aus der Zusammenschau der unterschiedlichen Beschreibungen ließ sich gut herausarbeiten, wie etwas, was in der ersten Musik noch nicht zum Tragen kommen konnte, in der zweiten in Bewegung geriet und die gemeinsame Musik vorwärts trug. Auf diese Weise konnten die Patienten in einer Sitzung, mit den Worten des Anleiters, die ‚Metamorphose ihrer Spielerfahrung durch die Klangproduktion in der Musiktherapie‘ erleben.
Werkstatt 3: Kunst sehen
In der dritten Werkstatt, die von den drei anwesenden Mitgliedern des Ateliers für Kulturmorphologie gemeinsam angeleitet wurde, wurden, anhand von Postkartendrucken, drei romantische Gemälde als Gegenstand der morphologischen Beschreibung vorgelegt. Es bestach einmal mehr, wie sich beim längeren Betrachten auch dieser nur ‚en miniature‘ vorliegenden Werke in der Tat ‚Seelenlandschaften‘ auftaten, die, wenn natürlich auch subjektiv gefärbt, doch intersubjektive Übereinstimmungen beinhalteten und sich so auf den ‚äußeren Gegenstand‘ (das Gemälde) beziehen ließen.
Der überaus arbeitsreiche und anregende Tag wurde mit dem gemeinsamen Hören eines impressionistischen Werkes von CD beendet. Über Nacht hatte es dann geschneit und die zehn Zentimeter dicke Schneedecke, die alles einhüllte, verstärkte den bereits beim Ankommen entstandenen Eindruck, hier in die Welt von Manns Zauberberg entführt worden zu sein.
Werkstatt 4: Alltagsepisoden in der Musiktherapie
In der vierten Werkstatt gab Dr. Frank G. Grootaers (Dipl. Musiktherapeut, Bad Honnef) Einblick in sein aktuelles Arbeiten, in dem er sich zentral auf erzählte Alltagsepisoden seiner Klienten bezieht. Dazu brachte er die Verschriftung einer solchen Erzählung mit, die als ‚Anhalt für eine Wirkungsanalyse‘ dienen sollte. Der offenen Beschreibung war hier ein Zwischenschritt vorgeschaltet, in dem die Teilnehmer angehalten wurden, sich auf die im Text verwendeten Verben zu konzentrieren. Nachfolgend wurden dann im offenen Austausch die subjektiven Eindrücke und Einfälle der Einzelnen zu einem Gesamtbild zusammengefügt und vom Werkstattanleiter wieder an die konkrete Fallsituation angebunden.
Abschließend lässt sich sagen, dass es sich aus meiner Sicht um eine rundum gelungene Tagung handelt, die Lust auf mehr gemacht hat. Die Werkstätten waren geprägt von einer offenen und sehr anregenden Arbeitsatmosphäre und die sich immer wieder spontan einflechtenden Exkurse in die Theorie der morphologischen Psychologie oder auch in angrenzende philosophische Bereiche wirkten bereichernd und boten Stoff für angeregte Gespräche. Hier eine engere und konsequentere Verknüpfung herzustellen, wäre von meiner Seite ein Wunsch, der in dieser auf das praktische Tun konzentrierten Tagung ein Stück weit offen bleiben musste. Für die Teilnehmer ergaben sich durch diese Fokussierung auf das Praktische jedoch neben Anregungen für den therapeutischen Alltag auch Impulse, den Blick im Umgang mit kulturellen Phänomenen über den Arbeitsalltag hinaus zu schärfen. So weiß ich nicht, ob den Veranstaltern für die Zukunft zu wünschen ist, dass nachfolgende Tagungen von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen werden, oder vielleicht doch eher, dass sie auch in Zukunft einem kleinen interessierten Fachpublikum vorbehalten bleiben und so ihren gleichzeitig beschaulichen, wie auch intensiven Charakter wahren können.
Dr. Jochen Wagner
33, Rue de la montagne
F 57410 Lambach
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